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H. Schaaf, Klofat, B., Doelberg, D., Hesse, G.

Tinnitus-Therapie:   Wann ambulant,   wann stationär, wann psychosomatisch,   wann psychiatrisch?   Forum HNO 2006. 22-28

Email: DrHSchaaf@t-online.de   Zuständige Landesärztekammer Hessen (BRD)
Wichtiger Hinweis:     über internet und email   kann   keine   ärztliche Beratung erfolgen. Auch die zu folgenden Hinweise können keine Behandlungsanleitungen sein.
Wenden Sie sich dazu bitte an den Arzt (Therapeuten) Ihres Vertrauens und / oder an die Ambulanz des Ohr- und Hörinstitutes Hessen, Arolsen, Grosse Allee 50

Einleitung

Tinnitus bezeichnet alle Formen nicht durch äussere Schallquellen bedingter Hör-Wahrnehmungen ("Ohrgeräusche"). Das zunehmende Auftreten dieses Symptoms in der Bevölkerung und der damit steigenden Relevanz für die (HNO-)ärztliche Praxis dürfte u.a. mit der rasanten industriellen und technischen, aber auch gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 50 Jahre in Zusammenhang stehen.
So finden sich Ohrgeräusche bei etwa 15% des Patientenguts deutscher Allgemeinarztpraxen, in HNO-Praxen sogar bei ca. 25%. (Goebel 2003). Nach einer 1998 durchgeführten repräsentativen Erhebung der Deutschen Tinnitus-Liga kommt es jährlich bei ca. 10 Millionen Deutschen zu Tinnitus-Neuerkrankungen, die bei etwa 340.000 in eine chronische Form münden.
Etwa 3 Millionen Erwachsene in Deutschland, also 4% der Bevölkerung, sind von chronischem Tinnitus betroffen (Punktprävalenz), etwa 10-20% davon leiden erheblich darunter (Pilgramm et al. 1999).
Diese Patienten (knapp 1 Million Erwachsener in Deutschland!) klagen über die Unerträglichkeit ihrer Ohrgeräusche, über Hoffnungslosigkeit und ängste, über Konzentrationsstörungen, und zudem oft eng mit dem Tinnitus assoziierte Schlafstörungen. Bei genauerer Exploration zeigen sich in fast 90% der Fälle psychische Störungen, allem voran aus dem depressiven Formenkreis, wie Major Depression (depressiver Episoden) (33-67%), dysthyme Störungen (11-21%), aber auch Angststörungen (29-47%), die nicht selten durch suchthaften Medikamentengebrauch verkompliziert werden, sowie bis zu 42% somatoforme Störungen (Goebel & Fichter 1998).

Pathogenetisch für den organischen Anteil des Tinnitus können sowohl cochleäre wie zentral auditive Prozesse sein. Bei über 90% der Tinnituspatienten besteht ein cochleärer Hörverlust, wobei die subjektiv wahrgenommene und audiometrisch bestimmbare Tinnitusfrequenz meist der Frequenz mit dem maximalen Hörverlustes entspricht (Zenner 1998).
Aber es scheinen auch vor allem psychische Faktoren wesentlich an einer nicht gelingenden Kompensation eines Tinnitus als zunächst organischem Defizit, z.B. aufgrund eines Knalltraumas, eines Hörsturzes oder degenerativer Prozesse im Zuge einer Altersschwerhörigkeit etc., beteiligt zu sein - angesichts der oft für den Einzelnen überhöhten alltäglichen Anforderungen, lebensgeschichtlicher Veränderungen und Brüche nicht verwunderlich.
Umgekehrt kann ein oft schon jahrelang bestehender, aber bislang nicht als quälend empfundener (=kompensierter) Tinnitus deutlicher in die Wahrnehmung rücken und in den Vordergrund des Beschwerdebildes treten - auch bei (weitestgehend) normalhörigen Tinnitus-Betroffenen.

Die häufigen psychischen Komorbiditäten sind sicherlich bei einem Teil der Patienten als dem Tinnitus vorangegangen und eine adäquate Kompensation verhindernd, teils als durch den Tinnitus ausgelöst zu verstehen - wobei sekundär häufig ungünstige aufrechterhaltende Wechselwirkungen und verschlimmernde teufelskreisartige Entwicklungen zu beobachten sind. Eine kürzlich publizierte Studie (Olderog et al. 2004), bei der psychische Belastungen zum Zeitpunkt des ersten Auftretens der Ohrgeräusche als Prädiktoren für eine spätere Tinnitusdekompensation identifiziert werden konnten, stützt diese Annahme.

Klassifikation nach Stadium und Schweregrad

Im Praxisalltag des Allgemeinmediziners, noch mehr des HNO-Arztes, präsentieren sich die unterschiedlichsten klinischen Bilder unter dem Etikett des "Tinnituspatienten". Beim einen mögen die Ohrgeräusche zwar vorhanden und auch bestimmbar, aber für den Patienten "nicht der Rede wert" sein, sogar nur zufällig bei genauer Exploration zu Tage kommen, da die Ohrgeräusche so gut kompensiert und ausgeblendet werden, dass der Betroffene sich in keinerlei Weise durch sie beeinträchtigt fühlt, und nicht von sich aus als Symptom äussert. Das andere Extrem stellt der vom Tinnitus Tag und Nacht gequälte Patient dar, der sich kaum mehr ein lebenswertes Leben mit dem Ohrgeräusch vorstellen kann, und aufgrund seines Leidens am Tinnitus massiv in seiner Arbeitsfähigkeit und Alltagstauglichkeit eingeschränkt ist.
Dementsprechend macht es Sinn, beim Tinnitus zum einen nach Stadien zu unterscheiden und zum anderen die Belastung in verschiedene Schweregrade einzuteilen. Danach richtet sich auch der jeweils notwendige Behandlungsansatz.

Akuter, subakuter und chronischer Tinnitus

Ist der Tinnitus frisch aufgetreten, besteht erst seit einigen Tagen, wenigen Wochen oder bis zu drei Monaten, spricht man von akutem Tinnitus.
In dieser Anfangsphase ist eine genaue diagnostische Abklärung wichtig, um medizinisch noch ursächlich eingreifen zu können und ggf. sogar eine Heilung im Sinne einer Tinnitusbeseitigung zu ermöglichen.
Angesichts des in der Literatur variabel gefassten Beginns der Chronizität wurde als Begriff für das Zwischenstadium der des "subakuten Tinnitus" zwischen 3 bis 12 Monaten nach Erstmanifestation eingeführt.
Persisitieren die Ohrgeräusche bereits seit einem Jahr oder länger, gilt der Tinnitus als chronisch. Akute, insbesondere peripher greifende Behandlungsmassnahmen wie im Anfangsstadium sind nicht mehr indiziert, ein Wechsel der Behandlungsstrategie, die nun auf die zentrale und psychische Verarbeitung abzielen muss, wird notwendig.

Tinnitus-Schweregrade

Nach der "Leitlinie Tinnitus" der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DG-HNO 1997) wird je nach Schweregrad der Tinnitus in mehrere Kategorien unterteilt:

Kompensiert:
Der Patient registriert das Ohrgeräusch, kann jedoch so damit umgehen, dass keine Sekundärsymptomatik auftritt.

Grad I: kein Leidensdruck

Grad II: hauptsächlich bei Stille wahrnehmbar, stört bei Stress und psychischer Belastung

Dekompensiert:
Der Tinnitus hat massive Auswirkung auf alle Lebensbereiche und führt zur Entwicklung einer Sekundärsymptomatik mit hohem Leidensdruck.

Grad III: Der Tinnitus führt zur dauernden Beeinträchtigung im privaten und beruflichen Leben mit Störungen im emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereich.

Grad IV: Der Tinnitus führt zur völligen Dekompensation im privaten Bereich und zur Berufsunfähigkeit.

Parallel zu dieser Einteilung sind auch die Schweregrad-Bereiche des Tinnitus-Fragebogens nach Goebel und Hiller (1998) zu verstehen, der als Selbstbeurteilungsfragebogen für Patienten eine einfache und gute Ergänzung zur Exploration darstellt.

ätiologische Einordnungsversuche

Aus der Sicht psychotherapeutischer Fachliteratur wird das Leiden am Tinnitus entsprechend der vielfältigen ätiologie bzw. ätiologiemodelle unterschiedlich zu klassifizieren versucht.
Hoffmann und Hochapfel (1999) ordnen den Tinnitus den funktionellen und/oder psychovegetativen Symptomen zu. Dabei verstehen sie unter einem funktionellen Syndrom ein "von Fall zu Fall nach Zusammensetzung und Intensität wechselndes Bild körperlicher Beschwerden an vegetativ versorgten Organen ohne organisches Substrat". Die Beschwerden gehen ohne feste Grenzen in rein psychisch empfundene Spannungszustände wie Angst, Unruhe oder Unlust über.
Sicherlich lassen sich ähnlich auch Parallelen zwischen einem dekompensiertem Tinnitus und chronischen Schmerzsyndromem bzw. somatoformer Schmerzstörungen ziehen.
Lamparter und Schmidt (2002) ordnen das Leiden am Tinnitus den psychosomatischen Störungen zu. Definiert werden diese im engeren Sinne als Krankheiten, bei denen ein psychischer Einfluss auf Entstehung und Verlauf der Erkrankung angenommen wird oder die organ-destruktiv verlaufen. (In diesem pathomorphologischen Sinne grenzen sie sich von den funktionellen Störungen ab, die ohne Schädigung am Organ ablaufen.)
Die Brücke zwischen "organisch bedingtem Tinnitus" und dem im Wesentlichen psychisch zu verstehenden Leiden am Tinnitus schufen Jastreboff und Hazell (1993). Sie entwickelten ein neurophysiologisches Modell, das Tinnitus - unabhängig vom Generator - als Folge einer Fehlschaltung im neuronalen Netzwerk erklärt. Dazu konnten sie anhand von Tiermodellen zeigen, dass Erhöhungen der Spontanentladungsrate im auditorischen Kortex als Geräusch interpretiert werden.
Zur objektiven Realität beim Tinnitusgeschehen gehört, dass sich die "Tinnitus-Lautheit" - ausser bei den seltenen objektiven Tinnitus-Formen ("somatosounds") - vergleichend immer zwischen 5 und maximal 15 dB über der Hörschwelle bestimmen lässt (Zenner 1998, Hesse 1999). Das entspricht in etwa einem Blätterrascheln oder Computergeräusch. Zur subjektiven Realität gehört, dass die Betroffenen "ihren" Tinnitus oft als sehr viel lauter empfinden und in der Regel - subjektiv stimmig - für die entscheidende Ursache ihrer psychischen Beschwerden (s. o.) halten.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass, wie mehrfach belegt werden konnte, das Ausmass des Leidens bzw. der Belastung, Wahrscheinlichkeit einer Dekompensation wie auch die Erfolgsprognose unabhängig sind von psychoakustischen Parametern wie etwa der bestimmbaren Tinnituslautstärke des Patienten in dB.
Unabhängig von ätiologischen oder klassifikatorischen Einordnungsversuchen in bestehende Systematiken psychischer Störungen, die jeweils in den Begriffsbereich der "neurotischen" Störungen fallen, hinaus hat Tinnitus nun auch als "Deckthema" bei Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises Einzug gehalten (Schaaf et al. 2003).

Therapeutische Ansätze

Angesichts der geschilderten Bandbreite des klinischen Bildes stellt sich dem Behandler die in der Praxis oft nicht einfache Wahl des optimalen Therapieansatzes, der von einem minimalen Counseling, bis zur umfassenden, intensiven und längerfristig angelegten HNO-medizinischen und/oder psychosomatischen Behandlung reichen kann.
Die Frage, ob das Indizierte noch im Rahmen der ambulanten Versorgung - z.B. in der HNO-Praxis - zu leisten ist, oder doch eine stationäre Aufnahme notwendig ist, ist dabei nicht immer leicht zu beantworten.
Zumeist lassen sich jedoch die jeweils notwendigen und sinnvollen Behandlungsmassnahmen entsprechend des vorliegenden Stadiums und abhängig vom Schweregrad des Tinnitus ableiten.
Der akute, also frisch aufgetretene Tinnitus wird, ebenso wie ein akuter Hörsturz, in der Bundesrepublik in aller Regel entsprechend den ADANO-Leitlinien als Eilfall (nicht als Notfall) HNO-ärztlich behandelt.
Zeigen sich Anhaltspunkte für einen Hörsturz oder einen akuten Lärmschaden, so wird zu einer rheologischen Infusionsbehandlung geraten. Dies erfolgt in der Vorstellung, die Durchblutungssituation bzw. die Versorgung mit Sauerstoff/Nährstoffen im akut geschädigten Innenohr auf Haarzellniveau zu verbessern.
Die Infusionsbehandlung kann ambulant erfolgen - ein Vorgehen, in dessen Richtung viele Krankenkassen drängen. Gestützt wird dies oft durch die Vorstellung von Patienten, wenn sie glauben, sie wären zu Hause oder am Arbeitsplatz unentbehrlich. Damit ist die Therapie aber meist zum Misserfolg verbannt. Gleiches gilt, wenn die Infusionslösung (in der Regel 500 ml) in 20 Minuten verabreicht wird, z.B. aufgrund organisatorischer Praxisgegebenheiten.
HNO-ärztlich kann eine stationäre Aufnahme indiziert sein, wenn der Hörschaden des Patienten gravierend ist und/oder aus psychosomatischen Gründen, wenn der Patient aus seinem Alltag, sei es dem Arbeits- oder familiären Umfeld, heraustreten muss. Kontraproduktiv kann dabei allerdings wiederum eine Akuttherapie im 4-Bettzimmer, etwa mit frischoperierten Tumorpatienten einer HNO-Abteilung, sein.
Hat sich innerhalb von zwei bis drei Wochen der Hörschaden oder der Tinnitus nicht befriedigend zurückgebildet, so kann - auch im Sinne der neuesten ADANO-Leitlinie Hörsturz (März 2003) - überlegt werden, ob eine hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) einzuleiten ist. Letztere kann jedoch nicht zum Erfolg führen, wenn andere Mechanismen als ein reversibel erachtetes Sauerstoffdefizit massgeblich für das Tinnitus-Geschehen oder den Hörverlust sind.

Was kann ambulant - auch im Rahmen einer Kassenpraxis - geleistet werden?!

Sind die Behandlungsmassnahmen im akuten Stadium wirkungslos geblieben, zeigt sich im chronischen Stadium dann oft, dass jedes weitere Bemühen, den Tinnitus doch zu "beseitigen", das Leiden an den Ohrgeräuschen eher steigert als lindert. Auf der Grundlage einer suffizienten neuro-otologischen Diagnostik muss nun eine Aufklärung (Counseling) des Patienten im Vordergrund stehen, die ihn kognitiv und emotional in seinem berechtigten Informationsbedürfnis erreicht (Schaaf & Hesse 2003).
In diesem Sinne hat sich in den letzten Jahren die sog. Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) (z.B. Hesse & Laubert 2001) etabliert. Diese wird von der ADANO als Konzept definiert, das auf der Basis "umfassender Diagnostik durch HNO-ärzte und Psychotherapeuten" auf Grundlage der Modellvorstellungen von Jastreboff und Hazell eine interdisziplinäre Therapie einleitet, welche den Patienten unter Zuhilfenahme akustisch-apparativer Behandlungsmassnahmen ("Rauscher", Hörgeräte) in enger Anbindung weiter betreut.

Die Indikation zur Retraining-Therapie wird gesehen, wenn ...
Die Tinnitus-Retraining-Therapie setzt - idealtypisch - einen aktiven, zugewandten, reflektions- und introspektionsfähigen Patienten voraus und benötigt ein Behandlungs-Team (Schaaf et al. 2002), aus einem aufklärenden, kundigen und verständnisvollen HNO-Arzt und einem auch in der Tinnitus-Problematik bewanderten Psychotherapeuten . Hilfreich (wenn auch zumeist nicht zu realisieren) sind ein kooperierender Akustiker sowie ein im Team arbeitender Hörtherapeut.
In einem solchen "Arbeitsbündnis" kann auch im Rahmen einer HNO-Praxis effektiv gearbeitet werden, u.a. wenn wichtige Momente (neuro-otologische und psychosomatische Aufklärung, z.B. in der Gruppe) im Behandlungskonzept integriert sind, aber aus dem engen Praxisablauf ausgelagert werden können.
Apparative Hilfen (Hörgeräte) werden insbesondere dann notwendig, wenn eine relevante Schwerhörigkeit vorliegt. Dann kann das Ohrgeräusch oft schon allein durch die verbesserte Hörwahrnehmung nahezu komplett in den Hintergrund gedrängt werden.
"Rauscher" sind als unterstützende apparative akustische Massnahme sinnvoll, sofern insbesondere keine versorgungspflichtigen Formen von Schwerhörigkeit oder sonstige Kontraindikationen vorliegen.
Wichtig ist in jedem Falle, die an den Tinnitus gekoppelten Klagen des Patienten ernst zu nehmen - auch und gerade wenn man scheinbar "nichts machen kann". Das Zuhören der Arztes, mit der Aussicht, etwa quartalsweise wiederkommen zu dürfen, hilft, erst recht, wenn die Symptomatik des Patienten "psychisch überlagert" erscheint. Die eigene Gesprächskompetenz kann dabei umso wirksamer sein, je sicherer der HNO-Arzt des emotionalen Gehaltes der Arzt-Patienten-Interaktion ist.
Eine Unterstützung für den Behandler können dabei sog. Balintgruppen sein, in denen ärzte fallzentriert auch die eigene emotionale Komponente der Begegnung mit Patienten spiegeln können. über ein darin geübtes psychosomatisches Verständnis wird es dann auch möglich, sich selbst nicht "zugedröhnt" zu fühlen, wenn Patienten den - für Aussenstehende - offensichtlichen Sachverhalt noch nicht verstehen oder gar umsetzen können.
Zwei bis drei Minuten eines solchen "wirklichen" Zuhörens können schon die Grundlage für eine tragende Arzt-Patienten-Beziehung und therapeutisch wirksam sein.
Manchmal hilft darauf basierend bereits die Arbeit mit einfach gehaltenen Ratgebern (z.B. Schaaf & Hesse 2002). Nützlich ist darüber hinaus meist der Verweis auf Selbsthilfegruppen, zu denen über die Deutsche Tinnitus Liga Kontakt aufgenommen werden kann.
Wenn die Arzt-Patienten-Beziehung tragfähig erscheint, besteht eine Möglichkeit des Ansprechens und des Verstehens darin, die vom Patienten vorgetragenen subjektiven Kausalzusammenhänge einmal in ihrer umgekehrten Wirkung aussprechen zu lassen:
Aus einem "Weil mein Tinnitus laut ist, bin ich zuhause ständig genervt" könnte dann "Ich bin zuhause ständig genervt, so dass mir mein Tinnitus besonders laut vorkommt" werden. ähnlich umkehrbar sind auch typische Aussagen wie "Seitdem ich Tinnitus habe, schaffe ich meine Arbeit nicht mehr" oder "Ich kann nicht schlafen, weil ich dauernd auf meinen Tinnitus hören muss."
Mittels solcherart minimaler Interventionen können ggf. festgefahrene überzeugungen des Patienten über sein scheinbar hilf- und sinnloses dem Tinnitus-ausgeliefert-Sein in Frage gestellt werden.
Bisweilen hilft auch Zeit, Beharrlichkeit, Vermittlung von Zuversicht und die Perspektive, sich in drei Monaten dazu erneut "sehen und hören" zu können. Wenn psychotherapeutische Fachkompetenz hinzukommt, lassen sich in dem Indikationsgebiet deutliche Erfolge sehen (Hiller 2003).

Ihre Grenzen können ambulante HNO-ärztliche Bemühungen finden

Indikationen zur stationären Behandlung

Sind ambulante Therapieansätze ausgeschöpft und verschlechtert sich das Krankheitsgeschehen zunehmend, kann bei einem chronischen dekompensierten Tinnitus-Leiden eine Therapie mit den Möglichkeiten eines psychosomatischen Krankenhauses notwendig werden. Oft werden solche Kliniken in ihrer Kompetenz akzeptiert, gerade wenn bzw. weil man hier nichts direkt "Psychotherapeutisches" vermutet.
Die Indikation für eine stationäre Versorgung besteht nach der Leitlinie "Tinnitus" der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DG-HNO 1997), wenn der Tinnitus massive Auswirkung auf alle Lebensbereiche hat und zur Entwicklung einer Sekundärsymptomatik mit hohem Leidensdruck führt.

Dies wird gesehen, wenn bei
Grad III der Tinnitus zu einer dauernden Beeinträchtigung im privaten und beruflichen Bereich (mit emotionalen, kognitiven und körperlichen Auswirkungen) führt, oder gar bei
Grad IV der Tinnitus zur völligen Dekompensation im privaten Bereich und zur Berufsunfähigkeit führt.

Da sich das Leiden am Tinnitus in der Regel psychisch äussert ist, stellt sich - auch versicherungsrechtlich - die Indikation für eine stationäre psychosomatische Behandlung psychotherapeutisch wie folgt (vgl. z.B. Reimer, Eckhardt, Hautzinger & Wilke, 2000):