Der "gutartige" Lagerungsschwindel verschwindet in der Regel auch ohne Behandlung nach einigen Wochen bis Monaten, er kann jedoch nach einigen Monaten oder Jahren wiederkehren. Das Spektrum reicht von einer einzelnen kurzen Episode bis zum jahrzehntelangen Leiden. In etwa einem Drittel der Fälle geht dem "gutartigen Lagerungsschwindel" ein Schädelhirntrauma oder ein Ausfall des Gleichgewichtsorgans (Neuritis vestibularis) voraus. (Lempert in Schaaf et al. 1999).
Auch bei Meniere Patienten finden sich der "gutartige" Lagerungsschwindel bei genauem Hingucken nicht selten als zusätzliche Schwindelkomponente. Diese wird dann bis zur richtigen Diagnose oft (unnötig!) als Teil der Meniereschen Erkrankung verkannt und nicht angemessen behandelt.
Die Diagnostik ist schon der Beginn der Therapie.
Dabei werden die Betroffenen rasch aus dem Sitzen in die Seitenlage gekippt.
Mit der Frenzel-Brille sind dabei die Augenzitterbewegungen sichtbar.
Wenn sich so die Diagnose sichern lässt, können 95% der Beschwerden innerhalb von wenigen Wochen beseitigt werden.
Dabei werden bei den Betroffenen durch wiederholte Fortsetzung genau dieser Lageänderung die Steinchen wieder aus dem
Bogengang "heraus geschleudert" .
In der körperlichen Untersuchung der HWS zeigte sich eine deutliche Verhärtung der linken Nackenmuskulatur mit entsprechenden Schmerzerleben und Schonhaltung. Die Röntgenuntersuchungen ergaben keinen auffälligen Befund.
In der gezielten Anamnese ergab sich nun auf genaue Befragung, dass das Schwindelereignis zeitlich und vom Schwindelcharakter in zwei Anteile zergliedert werden kann.
Den ersten Anteil machen für ca. 30 Sekunden bis (subjektiv sehr lang erscheinende) ein- zwei Minuten heftige Drehschwindelattacken aus, die den Patienten "mit Wucht zur linken Seite wirbeln". Hierbei erlebt der Patient ein Drehen des Raumes sowie ein Vernichtungsgefühl bei erhaltenem Bewusstsein
Im zweiten Anteil folgt diesem heftigen Schwindel mit Fallneigung für eine lange Zeit "ein sich verfestigendes Gefühl der Ohnmacht, der Verzweiflung, des "Deprimiert-Seins" und der Unsicherheit". Dabei habe er nur noch schwankend gehen und nur noch in Begleitung und gestützt den Arzt aufsuchen können. Dieses Schwindelgefühl halte über 6 Stunden, in einigen Fällen sogar über 2 - 3 Tage an.
Es erfolgte - zunächst diagnostisch - eine Lagerungsuntersuchung nach Semont.
Dabei wurde der Patient zunächst quer auf eine Untersuchungsliege gesetzt und sein Kopf 45° nach rechts gedreht.
Mit einer raschen Bewegung wurde er dann auf die linke Körperseite gelegt, so dass der Kopf hinter dem Ohr aufliegt.
Anschliessend wird der Patient wieder aufgesetzt und dann zur Gegenseite gelagert.
In jeder Position wurden die Augen für mindestens 20 s aus der Nähe beobachtet.
Dabei zeigte sich - diagnostisch wegweisend - die Auslösung von Schwindel und Nystagmus, als der Patient zur linken Seite gelagert wurde. Der Nystagmus rotierte um die Sehachse und schlug in seiner raschen Phase zum linken Ohr. Subjektiv äusserte der Patient einen - ihm vertrauten - heftig einsetzenden Schwindel, der nach 30 Sekunden abklang.
Beim Wiederaufsetzen stellte sich ein gleichartiger Nystagmus ein, jedoch in umgekehrter Richtung nach rechts. Bei der Rechtslagerung traten dagegen weder Schwindel noch Nystagmus auf.
Dies bestätigte den schon anamnestisch vermuteten benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel links.
Ein M. Meniere konnte nun aufgrund der differenzierten Anamnese, des untypischen über Jahre konstanten Hörbefundes sowie des Fehlens eines Tinnitus aus der retrospektive ausgeschlossen werden..
Zu klären war noch der zweite Teil des nach dem Lagerungsschwindel einsetzenden,
lang anhaltenden Schwindelgeschehens. Dieses wäre vordergründig zu verstehen gewesen
als reaktiver psychogener Schwindel, wie er bei M. Meniere öfters zu beobachten ist.
Hier leitete die Frage nach der beidseitige Hochtonschwerhörigkeit die Aufklärung des spezifischen Wirkmusters bei diesem Patienten ein.
Nachdem sich in der bewussten Erwachsenenzeit des Patienten keine konkreten Hinweise für ein stattgehabtes Lärmtrauma finden liessen, sprach ich den Patienten - in Kenntnis seines Geburtsalters sowie des Geburtsortes - auf seine von mir vermuteten Kriegserlebnisse an.
Dabei zeigte sich, dass der Patient sowohl Bombenangriffe miterlebte wie auch die Trennung von den Eltern, und dies mit dem Gefühl von erstarrender Machtlosigkeit und Ohnmacht.
Soweit in der dann nachgespürt werden konnte, hatten die an sich sehr kurzen und sehr organisch bedingten Lagerungsschwindelattacken ein sehr frühes psychogen zu verstehendes Erleben von Ohnmacht, Verzweiflung und Depressionen reaktiviert und angestossen, was in der Folge das lang anhaltende Schwindel - Gefühl über Stunden bzw. Tage auslöste. Dabei ist verständlich, dass das Ausmass des psychogenen Schwindelanteils um so grösser war, je höher die emotionale Belastung im Vorfeld war.
In diesem Fall hatte nicht ein unverarbeiteter Konflikt zum Schwindel geführt, wie es bei einem "rein" psychogenen Schwindel sonst oft der Fall ist . Hier stiess ein ganz real - und komplett therapierbares - organisches Ereignis ein sonst mehr oder weniger gut verdrängtes frühes Erlebnis an, das dann "wie im Film" mit heftigem körperlichen Sensationen erlebt wurde.
Hier zeigte die Lagerungsprobe nach Semont einen eindeutigen Lagerungsschwindel nach links, so dass bei dieser Patientin zwei verschiedene !!! organische Erkrankungen vorlagen, die beide in der Folge eine zunehmende psychogene Schwindelkomponente nach sich zogen, wie an anderer Stelle ausführlich dargestellt (Schaaf 1999/2000).
Das Schwindel - Erleben entspricht dabei den vegetativen Begleitsymptomen der stattgehabten Meniere Anfälle, das dann als ein "Als Ob" Geschehen abläuft (also anderer Film!). Die Therapie bestand natürlich auch hier in Lagerungsmanövern, die sie Symptomatik vollständig zurückgehe liess.